Ein Abenteuer der Superlative: mit Rad, Schwimmanzug und Laufschuh um die Welt
Oct 6, 2023
Wow, wow, wow! …und einmal tief durchatmen. Nach den 255 Seiten von Jonas Deichmanns Reisetagebuch Das Limit bin nur ich. Wie ich als erster Mensch die Welt im Triathlon umrundete ist man erstmal platt. Endlich geschafft! Und das heißt nicht, dass das Buch eine leserische Odyssee gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Nach so einer langen Reise, die voll war von unendlichen Eindrücken, von nimmer endenden Straßen, vom Warten auf Visa und etlichen Durststrecken, muss man sich erst einmal sammeln und das Gelesene, das man mit „Jonas“ hautnah miterlebt hat, verarbeiten. Und am liebsten möchte man gleich morgen selbst aufs Rad steigen und aufbrechen.
Jonas Deichmann ist ein Sportler der Extreme. Ein wirkliches Zuhause hat er nicht, dafür mehrere „Homebases“. Nach dem Abenteuer ist vor dem Abenteuer – und am liebsten auf dem Rad, da ist er in seinem Element. 2018 radelte er von Alaska nach Südamerika, 2019 vom Nordkap nach Kapstadt. Und nun 2020, inmitten der Corona-Pandemie, einmal im Triathlon um die Welt, sein bis dato größtes Abenteuer, gerade weil er sich aus seiner Komfortzone herausbegibt und das Radfahren durch die Disziplinen Schwimmen und Laufen ergänzt. Los geht’s in München mit dem Rad bis an die kroatische Adriaküste. Dann wartet gleich eine der größten Herausforderungen: 460 km Schwimmen an 54 Tagen von Karlobag bis nach Dubrovnik, ehe Deichmann wieder in den Sattel steigt und bis Wladiwostok radelt. Die dritte Disziplin – das Laufen – nimmt Deichmann auf der anderen Seite des Pazifiks, in Mexiko, in Angriff. Auf der Strecke von Tijuana, direkt am Grenzzaun zu den USA, bis nach Cancún legt er insgesamt 5060 km, also 120 Marathons zurück. Die letzten 4000 Kilometer von Lissabon nach München lässt er dann, wieder zurück auf dem Rad, „locker ausrollen“. Deichmanns ursprünglicher Plan war, so klimaneutral wie möglich zu reisen und die langen Distanzen über die Meere mit Segelschiffen zurückzulegen. Corona machte dieses Vorhaben aber schlicht unmöglich, weshalb als letzte Option nur noch der Flug blieb.
Höhenflug nonstop mit ein paar Hürden
Denkt man sich auf den ersten Seiten noch, wie detailgetreu alles beschrieben ist, was fast ein wenig langatmig wirkt, so zieht einen der tagebuchtreue Stil ziemlich schnell in den Bann und vor allem direkt ins Abenteuer mit hinein. Genauso wie immer wieder Freunde und Familie Deichmann auf Teilstrecken begleiten, hat man beim Lesen das Gefühl, auf Schritt und Tritt mit dabei zu sein. Und auch mitzuleiden. Etwa, wenn „Jonas“ wochenlang in der Türkei strandet, ehe er endlich das lang ersehnte Visum für Russland erhält, oder als er sich in Sibirien bei Schnee und Matsch und Kälte am Straßenrand neben vorbeifahrenden LKWs behauptet, oder als er in Mexiko von Gastfreundschaft und Gastgeschenken überschüttet wird und 30kg extra – alles Melonen – in seinem Anhänger mitzieht. Und gleichzeitig fiebert und schmunzelt man mit, wenn er an der Adria im Schwimmanzug einkaufen geht, nach langen und zehrenden Etappen von Einheimischen zu Kost und Logis eingeladen wird, oder wenn er – wie in Mexiko – tolle Menschen kennenlernt, auf die sich sein Spirit überträgt und die von heute auf morgen nicht nur zu Marathonläufer*innen werden lässt, sondern vor allem zu Freunden. Ein Wahnsinnskerl, dieser Deichmann – nicht nur irgendein Ausnahmesportler, sondern vor allem ein sehr sympathischer mit toller Einstellung und Werten. Und das spürt man auch in und zwischen den Zeilen. Und so purzeln ihm die Superlative hinterher, wenn auf seiner Reise vom „Deutschen Forrest Gump“ oder vom „Jonas-Effekt“ die Rede ist. Deichmann fasziniert und inspiriert und so ist das Paradoxe an dem Buch, dass das ganze Abenteuer irgendwann fast schon einfach erscheint: ein wenig Schmerzen in den Beinen hier, ein paar tausend Höhenmeter da – alles kein Problem. Deichmann scheint der Optimismus in die Wiege gelegt worden sein oder auch der pure Fokus auf sein Ziel: „Ich bin mir zu jeder Zeit bewusst, dass ich mir einen Traum erfülle, dass ich genau da bin, wo ich sein wollte. Manchmal ist das unangenehm, manchmal einfach scheußlich. Aber es gehört zum Abenteuer dazu und ist genau das, was ich will.“ Ganz nach dem Motto: „Das Limit bin nur ich!“
Extremsport und Begegnungen der besonderen Art
Die sportliche Herausforderung steht sowohl bei Deichmanns Vorhaben als auch im Buch an erster Stelle. Doch dicht dahinter kommen die vielen und bereichernden Begegnungen mit Land und Leute, wobei vor allem die Lauf-Teilstrecke in Mexiko heraussticht. Es sind die Geschichten um Leonardo und Eli, und nicht zuletzt um die Hündin La Coqueta, die dem Buch eine ganz persönliche Note geben und zugleich zeigen, wie wichtig und motivierend der menschliche Kontakt für ein solches Vorhaben wie das von Deichmann ist – sei es die stetig wachsende Fanbase, mit der er über die Sozialen Netzwerke verbunden ist oder die Mitradler*innen und Mitläufer*innen auf der Strecke. Jede Reise hat ihre eigenen Highlights. Diese ihre ganz besonderen und für Deichmann auf alle Fälle unvergesslichen.
Das Limit bin nur ich ist – ohne Frage – ein Reisetagebuch für alle Sportfans. Doch vor allem ist es ein Buch, das Freude auf die Welt macht und das Begriffe wie Freundschaft und Begeisterung ganz groß schreibt. Jonas Deichmann ist buchstäblich der Held des Buches, der humorvoll erzählt und dabei vor allem zeigt, wie man mit Respekt anderen Kulturen begegnet und mit einer weltoffenen Einstellung und einer großen Spur Optimismus andere motiviert und auf der ganzen Welt Freunde gewinnt. Man darf gespannt sein, wohin die nächste Abenteuerreise geht. Denn eines steht fest: An neuen Ideen mangelt es Deichmann nicht und ganz bestimmt steht er bereits schon in den Startlöchern.
Jonas Deichmann: Das Limit bin nur ich. Wie ich als erster Mensch die Welt im Triathlon umrundete * Polyglott 2021 * 402 Seiten * 18,99 Euro
Diese Rezension wurde am 9. Mai 2022 auf dem Blog des Mondo Kollektivs veröffentlicht.