Mit Flow durch alpines Gelände
Oct 11, 2023
Trailrunning – auf schmalen Pfaden durch die Landschaft laufen und dabei möglicherweise ein atemberaubendes Bergpanorama genießen. Gibt es eine geilere Sportart? Trailrunning gewinnt immer mehr an Aufmerksamkeit. Dementsprechend nimmt auch die Anzahl an Reiseführern, die sogenannte „Flow Trails“ vorstellen, zu. Patricia Neuhauser präsentiert in ihrem Guide Flow Trails für Geniesser. 30 Trailrunning Highlights der Schweiz einige von ihnen. Wie der Titel unschwer erkennen lässt, liegt der Schwerpunkt auf der Schweiz.
Nach einem Vorwort und einer Übersichtskarte, auf der alle im Buch aufgeführten Trails mit Ziffern vermerkt sind, leitet Neuhauser erst einmal in das Thema Trailrunning ein. Dabei geht sie bspw. der Frage nach, was „Trailrunning“ eigentlich bedeutet und erklärt, dass neben dem „allgemeinen Konsens“, dass „der Asphaltanteil eines Trailruns im Idealfall gegen Null“ gehe, unter dem Begriff auch ein „Lifestyle“ verstanden werde, der sich durch „Gadgets wie GPS-Sportuhren, spezielle Laufwesten, schrille Laufsocken und bunte Stirnbänder“ auszeichne. Waren früher die Begriffe „Waldlaufen oder Berglaufen“ üblich, so sei heute von „Trailrunning oder Speed-Hiken“ die Rede. Um dabei in den optimalen „Flow“ zu kommen, bedarf es eines idealen Untergrunds, aber auch einer dem individuellen Niveau entsprechenden Route. Um dies zu gewährleisten, hat Neuhauser neun Kriterien formuliert, die für die Auswahl der Trails im Buch ausschlaggebend waren. Neben gewöhnlichen Voraussetzungen wie „Maximierung des Singletrail-Anteils“ soll darüber hinaus auch das titelgebende „Genuss-Thema“ in einer Kategorie (Kulinarik, Natur oder Trail) aufgegriffen werden. Ferner unterstreicht Neuhauser das Thema des nachhaltigen Unterwegsseins, indem sie vorab die „Erreichbarkeit mit öV“ als Kriterium für die Wahl der Trails bestimmt. Das imponiert und animiert, das Naturerleben ganzheitlicher zu denken – von der Anreise bis zum eigentlichen Erlebnis.
Das anschließende Kapitel „Planungshilfen“ ist besonders informativ. Ausführlich geht Neuhauser hier bspw. auf die Weg-Klassifizierungen der Schweizer Wanderwege ein sowie auf die SAC Berg- und Alpinwanderskala und das Kartenverzeichnis des Schweizer Bundeamts für Landestopografie (Swisstopo). Dem angeschlossen erläutert Neuhauser die Flowtrail-Skala F1-F3, wodurch die späteren Angaben zu den Trails auch ohne Vorkenntnisse nachvollzogen werden können.
Detaillierte Trails mit Flow-Garantie
Die folgenden Beschreibungen der Trails sind jeweils beziffert und nach Region geordnet. Diese umfassen Graubünden, die Innerschweiz, das Berner Oberland sowie das Wallis. Für die Innerschweiz werden allerdings nur drei Touren vorgestellt, für die anderen Regionen hingegen sieben bis zwölf. Diese Unausgewogenheit ist ein wenig schade, genauso wie, dass weitere Schweizer Regionen wie das Tessin oder die Westschweiz ganz außer Acht gelassen wurden. Neuhauser begründet die Auswahl jedoch damit, dass sie ihre persönlichen Lieblingstrails vorstellt, die sie wie ihre Westentasche kennt und diese somit ideal beschreiben und präzise Tipps geben kann. Dies spricht wiederum für die Qualität des Trailrunning-Guides.
Berg trifft Kultur
Die „individuelle Handschrift“ äußert sich in den Texten. Neben einem Absatz zur Region und einem zum Trail, erzählt Neuhauser jeweils, warum sie die Tour liebt. Und dabei wird v.a. eines klar: Das Flow-Gefühl entsteht nicht nur durch die Wege, sondern auch durch die Landschaft und die Bergkultur – seien es die „angezuckerten hohen Gipfel“, die „türkisfarbenen Bergseen“ oder „die Sonnenterrasse der Alpwirtschaft“ mit den „duft[enden] klassische[n] Käseschnitten“. Die jeweiligen Touren rundet eine Doppelseite mit allen Facts zum Trail ab, bspw. zu Routenverlauf, Schuhwerk, Anreise oder Wasser- und Verpflegungsmöglichkeiten. Besonders interessant sind die Angaben zu Variante, Abkürzung und Verlängerung. Da die meisten der Trails zwischen 15 und 25 Kilometern lang sind, werden unerfahrenere Trailrunner:innen gerne auf Abkürzungen zurückgreifen, erfahrenere oder Langstrecken-Trailrunner:innen die ein oder andere Tour um ein paar Kilometer verlängern oder zu einem Loop ausbauen wollen. Neuhauser gibt hierfür genügend Anreize und ausführliche Beschreibungen. Anhand der topografischen Kartenausschnitte können diese auch direkt nachvollzogen werden.
Einen schönen Nebeneffekt bieten außerdem die sechs Interviews, die Neuhauser mit befreundeten Trailrunner:innen geführt hat. Diese sind an thematisch passender Stelle in den Guide eingefügt und lockern so zwischen den Tourenbeschreibungen auf. Ein kleines Manko des Reiseführers ist, dass die Seitenzahlen in der Seitenmitte angebracht sind und beinahe in der Buchfalte verschwinden, was die Orientierung im Buch etwas umständlich macht. Zugleich hätte noch klarer ersichtlich werden können, dass mittels eines QR-Codes die GPX-Dateien zu den Trails heruntergeladen werden können. Zwar ist der QR-Code auf der Übersichtskarte recht groß abgedruckt, kann jedoch leicht überblättert werden.
Fazit: Ein super Trailrunning-Guide, der sich zwar auf bestimmte Regionen beschränkt, die Trails sind jedoch mit viel Leidenschaft und Expertise ausgesucht, sodass man bereits beim Lesen in den optimalen Flow kommt. Überzeugend sind nicht nur die detaillierten Tourenbeschreibungen mitsamt Varianten, sondern auch die Gesamtkonzeption, die einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur betont und auf Aspekte der Nachhaltigkeit Wert legt.
Patricia Neuhauser: Flow Trails für Geniesser. 30 Trailrunning Highlights der Schweiz * AS Verlag 2022 * 253 Seiten * 38,90 SF
Diese Rezension wurde am 18. November 2022 auf dem Blog des Mondo Kollektivs veröffentlicht.